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 Der eiserne Flieger

Da sitzt man Tag für Tag in seinem stillen Kämmerlein und überlegt sich möglichst drollige Anekdoten, nur um zu erkennen, dass das Leben ja doch die wahnwitzigsten Geschichten schreibt. So wie heute auf dem Markt. Da begebe ich mich mit der Gemüsehändlerin entlang ihres Standes von Angebot zu Angebot und verliere dabei meinen abgestellten Rucksack aus den Augen. Ein älterer Herr neben mir spricht mich an und fragt, ob der Rucksack mir gehöre. Ich bejahe und frage, ob er ihn störe, weil er deshalb vielleicht nicht an die Auslage herankäme. „Nein“, sagt der Herr, „ich wollte nur prüfen, ob ihn nicht jemand vergessen hat. Sonst hätte ich nämlich einmal laut gerufen. Das kann ich, müssen Sie wissen. Ich habe eine kräftige Stimme. Ich war früher mal Feldwebel. Bei der Wehrmacht. Fliegerstaffel.“ – „Und noch eine Handvoll Zuckerschoten“, sage ich demonstrativ in Richtung Verkäuferin, aber die Fliegerstaffel erzählt ungerührt weiter. „Ich hatte 28 feindliche Flugzeuge abgeschossen, da sagte der Harras zu mir: ‚Noch zwei’. Er meinte: noch zwei Abschüsse, dann kriege ich das Eiserne Ritterkreuz. Und wissen Sie was“, er beugt sich verschwörerisch zu mir herüber, „ich hatte noch vier.“ – „Und noch zwei Strauchtomaten bitte.“ – „Vor ein paar Jahren habe ich das Ritterkreuz verkauft. 10.000 Mark habe ich dafür bekommen.“ – „Und noch vier Mohrrüben.“ – „Davon habe ich meiner Frau einen Ring gekauft. Von dem ganzen Geld. Ich wollte nichts für mich davon, ich wollte meiner Frau eine Freude machen.“ – „Das war’s. Wieviel macht das?“ – „Und noch heute sieht meine Frau manchmal auf den Ring an ihrem Finger und sagt: ‚Willhelm, das ist das Schönste, was Du mir jemals geschenkt hast.“ – „Vielen Dank, auf Wiedersehen.“